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Erbsenzähler

„Nein, Dankeschön, das 5-Gänge-Menü ist völlig ausreichend… ja, sehr gerne und wie immer das vegetarische…“ höre ich meinen Mensch telefonieren. Sie hat nach dem Glassgarden auf dem Mönchstein endlich in unserer Nähe ein Restaurant entdeckt, in dem kulinarisch einzigartige vegetarische Gerichte serviert werden, die kein Ersatz für Fleisch sind. Das Essen ist so wunderbar, dass mein Mensch überhaupt nichts vermisst. „Weißt du Picco, es wird häufig versucht, Fleischerzeugnisse durch vegane Alternativen zu ersetzen. Aber es sieht immer aus wie Salami, Würstchen, Frikadellen, die ich nicht mag - wie bedauerlich und vor allem: Wie langweilig!“

„Das ist doch nun wirklich nichts Neues“ belehre ich meinen Mensch: „Justus von Liebig verfiel bereits 1833 auf Erbsenbrei als Ersatz für tierisches Eiweiß. Als Verpflegung für Soldaten wäre das sehr viel preiswerter als Fleisch gewesen. Deshalb hat er Versuche an Menschen vorgenommen. Die Probanden haben drei Monate nur Erbsenbrei essen dürfen.“ Ich kichere und schaue meinen Mensch wissend an: „Du kennst übrigens das literarische Ergebnis dieses missglückten Experiments, steht im Schrank. Und du hast in fast jeder Aufführung im Aachener Theater gesessen - Georg Büchners Woyzeck! Ha, Woyzeck der Erbsenfresser!“ Ich lache laut: „Das Resultat ist selbst dir seit der Oberstufe klar: Man nehme eine einseitige Ernährung mit dem Hülsenfruchtgift ß-(Isoxazolin-5-on-2-yl)-alanin, packen noch ein paar zusätzliche Schicksalsschläge obendrauf und schwupps, hatte dein Woyzeck irgendwann nicht mehr alle Schweine im Rennen! Das Ende kennst du.“

Ich schlappe durchs Atelier und öffne den Bücherschrank. „Das“ rufe ich meinem Mensch über die Schulter hinweg zu, „das geht gegen keine Ernährungsumstellung an sich, nur dafür, mal wieder die Klassiker zu lesen. Zünde das Feuer im Kamin an, öffne einen guten Roten und kraule mir beim Vorlesen den Pelz!“

Danke an SZ und Max Scharnigg für die Inspiration

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